Friedhof Kahla - Begräbnisstätte der "REIMAHG"
Patrick Brion
Zu den ersten 400 Zwangsarbeitern, die im April 1944 in Kahla eintrafen, kamen noch Tausende in den Folgemonaten. Eingesetzt waren sie auf den Baustellen der „REIMAHG“ am, im und auf dem Walpersberg bei Kahla/Großeutersdorf. Untergebracht in Lagern, die sich noch im Aufbau befanden und damit keineswegs den hygienischen Erfordernissen entsprachen oder akzeptable Lebensbedingungen boten. Dazu kamen unzureichende Verpflegung und Bekleidung sowie kräftezehrende Arbeitseinsätze. Diese Situation bewirkte ab Herbst/Winter 1944 einen sprunghaften Anstieg der Krankheits- und Sterbefälle. Vor allem italienische Zwangsarbeiter litten unter diesen Widrigkeiten, demzufolge war die Sterberate bei ihnen besonders hoch.
Auf Grund der steigenden Anzahl von Sterbefällen ordnete Sauckel (Gauleiter Thüringens) an, auf dem Kahlaer Friedhof ein Gelände zur Bestattung der Toten anzulegen. Daraufhin wurden zwei Feldgrundstücke oberhalb des Friedhofs ohne Einwilligung der Eigentümer beschlagnahmt. Geplant war, die Toten hier getrennt nach Volkszugehörigkeit zu bestatten. Ob dies realisiert wurde, ist nicht belegt. Es existieren keine Listen oder Pläne, anhand derer man die Ruhestätten hätte zuordnen können.
Auf dem Gelände wurden in langen Reihen dicht an dicht Gräber angelegt, welche die gesamte Fläche einnahmen. Eine Grabreihe, mit einer Tiefe von jeweils 25 Zentimetern, war jeweils für die Aufnahme von 15 bis 16 Toten ausgelegt. Die Schließung der einzelnen Gräber erfolgte nach einem bestimmten System. Der jeweilige Erdaushub wurde neben jedem Grab angehäuft, nach Grablegung des letzten Toten in der Reihe wurden die Gräber nach und nach mit den Erdaushub des jeweiligen Nachbargrabes geschlossen.
Das hier eingesetzte „Friedhofskommando“ bestand aus 35 Männern und 50 Frauen, alles Russen. Sie kamen von dem an der Nordseite des Walpersberges gelegenen Lager „Bibra“ und gingen täglich zu Fuß zum Kahlaer Friedhof.
Die ersten Toten, etwa 30 Menschen, bestattete man noch in Särgen in Einzelgräbern. Dies änderte sich kurzfristig. Um Holz zu sparen, begann man die Toten nur mit einer Decke bedeckt zu bestatten.
Dokumente belegen, dass die Toten täglich mit Lastwagen aus den einzelnen Lagern zum Friedhof gebracht wurden, wo man sie aus den Särgen nahm, um diese weiter nutzen zu können. Der Transport von der Leichenhalle zum Gräberfeld erfolgte dennoch respektvoll in einem Sarg. Die zunehmend überfüllte Leichenhalle und die damit entstandene prekäre Situation bedingten jedoch, dass man die Toten jetzt nur noch mit Schubkarren zur Grablegung brachte.
Eine Quelle beschreibt diese Situation: Es wurden 30, teilweise bis 43 Leichen, ohne Sarg in dem kleinen Raum neben der Kapelle gestapelt abgelegt. Somit war eine Nutzung dieses Raums für die Kirche wie Friedhofsbesucher nicht mehr möglich.
Zur Lösung des Problems wurde von der “REIMAHG” geplant, am Gräberfeld eine anderthalb Meter tiefe Grube, ausgekleidet mit Schwartenbrettern, zur Lagerung der Toten auszuheben. Ein Papp-Dach sollte die Grube abdecken und so vor Sonne und Wärme schützen. Die Grube wurde nie fertiggestellt.
Eine würdevolle Bestattung der Toten erfolgte zu keinem Zeitpunkt, trotz Beschwerden des evangelischen Pfarramtes und der Stadt Kahla. Im Gegenteil, auf Grund der Beschwerden wurde nur eine Hinweistafel am Gräberfeld angebracht: “Das Betreten des Reimahg-Friedhofes ist verboten!”
Einen Tag später hatte jemand “Unsere Schande!” dazu geschrieben.
Die große Anzahl der Toten und die fehlenden Unterlagen machten den Friedhof der “REIMAHG” zu einem “Friedhof der Namenlosen”.
Es ist heute kaum vorstellbar, unter welchen Umständen die Grablegung der vielen Toten erfolgte. 650 Menschen liegen heute noch in der Begräbnisstätte auf der oberen Ebene des Kahlaer Friedhofs. Dort befindet sich ein Mahnmal, an dem jedes Jahr im Mai dieser Toten gedacht wird.
Mehr Informationen zur Geschichte der „REIMAHG“ unter www.walpersberg.de